Der Verband der kommunalen und landeseigenen Krankenhäuser Sachsen-Anhalts e.V. (VKLK) erwartet mit der Verhandlung eines Koalitionsvertrages und der Bildung einer neuen Landesregierung klare Zielstellungen für die Daseinsvorsorge und die Gesundheitsversorgung der Bürgerinnen und Bürger des Landes. Die Mitglieder des VKLK bieten den Fraktionen den Sachverstand aller Mitarbeitenden der neun kommunalen und landeseieigenen Gesundheitseinrichtungen an, um sie bei Bedarf beratend zu begleiten.
Der VKLK vertritt die gemeinsamen Interessen der kommunalen, durch die Städte und Landkreise getragenen, Krankenhäuser sowie der vom Land Sachsen-Anhalt geführten Landes- und Universitätskliniken. Gleichzeitig ist der Verband Schnittstelle und auch Träger von gemeinsamen Projekten zur Stärkung der Zusammenarbeit und Verbesserung der medizinischen Versorgung im Bundesland. Die im Verband vertretenen Kliniken versorgen jährlich ca. 900.000 Patienten, verfügen über etwa 7.000 stationäre Betten und beschäftigen mehr als 18.500 Mitarbeiter. Die stationäre Krankenhausversorgung in Sachsen-Anhalt wird überwiegend durch die Verbandsmitglieder sichergestellt.
Aus der Sicht der Mitglieder des Verbandes werden zentrale Themen rund um das Thema Krankenhausversorgung benannt. Der VKLK möchte für die anstehenden Koalitionsverhandlungen zum Themenkreis Daseinsvorsorge, strukturrelevante Bedeutung und Gesundheitsversorgung in Sachsen-Anhalt Anregungen und Vorschläge für in den Koalitionsvertrag aufzunehmende Ziele unterbreiten.
Die Gesellschaft erwartet von den kommunalen und landeseigenen Krankenhäusern nicht nur die Notfallbehandlung, sondern auch das Vorhalten einer Versorgungsstruktur für alle Fälle und Notfälle des Lebens. Gerade in Krisenzeiten stehen diese Kliniken mit Ihrem Personal und ihrer Infrastruktur dem öffentlichen Gesundheitsdienst zur Seite und nehmen ihre Verantwortung wahr. Die kommunalen und landeseigenen Krankenhäuser sind Garanten der Daseinsfürsorge und leisten einen unabdingbaren Beitrag zu dieser.
Der VKLK stellt ein 10-Punkte-Programm vor, welche die derzeitig vordringlichsten Problematiken im Bereich der kommunalen und landeseigenen Kliniken aufzeigt:
- Die Fortführung des Rettungsschirmes über den 15.06.2021 hinaus
Die Einschränkungen in den Krankenhäusern aufgrund der Hygienemaßnahmen und die personellen Folgen der Pandemie (hohe Anzahl an Resturlaub bei Beschäftigen, erhöhte AU-Quoten durch psychische Belastungen etc.) werden die Leistungs-fähigkeit der Kliniken auch in diesem Jahr stark einschränken. Ein normaler Krankenhausbetrieb, wie vor der Pandemie, wird auch im Jahr 2021 nicht möglich sein.
- Fortführung der 5-Tage-Zahlungsfrist für Krankenkassen über den 31.12.20 hinaus.
Sofern die Zahlungsfristen zum Jahreswechsel wieder umgestellt werden, ergeben sich für alle Kliniken Liquiditätsprobleme. Diese fallen zeitgleich mit erhöhten Ausgaben zum Jahreswechsel zusammen. Aus diesem Grund sollte die Maßnahme verlängert bzw. entfristet werden, damit die Liquiditätslage der Häuser nicht noch kritischer wird. Weitere Insolvenzen kommunaler Gesellschaften und daraus folgende echte Privatisierungen gefährden die Gesundheitsversorgung.
- Ein Defizit/Erlösausgleich muss bereits im Jahr 2021 ermöglicht werden.
Der Beginn des Jahres 2021 war aufgrund der Pandemiesituation defizitär. Ein diesbezüglicher Erlösausgleich ist derzeit durch den Gesetzgeber erst im Jahr 2022 vorgesehen. Die Rücklagen der Kliniken sind jedoch aufgebraucht, und die sehr zeitverzögerte Ausgleichsmöglichkeit birgt starke Liquiditätsrisiken. Der Ausgleich sollte bereits in diesem Jahr ermöglicht werden.
- Ausgleichsmechanismen für den psychiatrischen Bereich
Die psychiatrische Versorgung wurde beim jetzigen Rettungsschirm völlig außer Acht gelassen. Im Alltag ist das betriebswirtschaftliche Defizit durch die erhöhten Sicherheitsvorkehrungen enorm. Um die psychiatrische und psychotherapeutische Versorgung zu stabilisieren sind Ausgleichszahlungen für den Bereich der Psychiatrien unabdingbar.
- Erhöhung der Investitionsmittel durch das Land Sachsen-Anhalt
In den vergangenen Legislaturperioden hat sich in Sachsen-Anhalt ein hohes Investitionskostendefizit durch fehlende Mittel des Land Sachsen-Anhalt ergeben. Die Kliniken können Investitionen nur noch eingeschränkt oder gar nicht durchführen.
Zur Stärkung der Daseinsvorsorge ist insbesondere der Erhaltung eines Netzes von Kliniken in der öffentlichen Hand auf der Grundlage einer bedarfsorientierten und ausdifferenzierten Planung durch die Förderung notwendiger Investitionen erhöhtes Augenmerk zu schenken. Maßstab für den Investitionsbedarf ist der bundeseinheitliche Katalog der Investitionsbewertungsrelationen.
Der bestehende Investitionsstau des Landes muss zügig aufgelöst werden; künftig entstehender investiver Ersatzbedarf ist dabei zu berücksichtigen.
Besondere Bedingungen, beispielsweise die derzeitige Ressourcenknappheit im Bausektor, müssen bei der Finanzierung der Krankenhäuser berücksichtigt werden.
Die Landesregierung muss auf eine auskömmliche Betriebskostenfinanzierung durch eine Kombination aus Vorhaltepauschalen und adäquater Leistungsvergütung hinwirken.
- Einführung eines Versorgungszuschlages für defizitäre Versorgungsbereiche und Standorte
Die Vorhaltung von Kinderklinken und Geburtsstationen ist für Kliniken tendenziell defizitär. Als kommunale oder landeseigene Häuser sind wir der Daseinsfürsorge verpflichtet, welche auch entsprechend finanziert sein muss. Aus diesem Grund setzen wir uns für die Einführung von Versorgungszuschlägen für Fachgebiete mit einer nachgewiesenen finanziellen Unterdeckung bei nachgewiesenem Bedarf ein.
Für Krankenhäuser, die Standorte in strukturschwachen Gebieten vorhalten müssen und damit die medizinische Daseinsvorsorge für die ländliche Bevölkerung sicherstellen, muss ein Zuschlagssystem ausgebaut werden. Wettbewerb und gesicherte Daseinsvorsorge schließen sich aus. Die Umsetzung einer zu erstellenden Krankenhaus- Perspektivplanung ist finanziell zu untersetzen. Die Finanzierung der Notfallversorgung und einer definierten Versorgungsinfrastruktur ist im Sinne einer Grundfinanzierung ohne zwingenden Leistungsbezug zu gestalten. Der Aufwand für spezifische Aufgaben der Universitätsklinika muss vollständig finanziert werden.
- Sicherung des Personalbedarfes
Die Wahrnehmung von (insbesondere gemeinnützigen) Krankenhäusern als leistungsfähige, zukunftssichere Einrichtungen im wichtigen Feld der Daseinsfürsorge ist eine Grundvoraussetzung für die Berufswahl junger Menschen und zur Sicherung des Nachwuchses. Besonderer Wert ist auf das Spektrum der „Sozialberufe“ zu legen, auf die zunehmende Ausdifferenzierung der Berufsbilder und besondere Engpässe, beispielsweise im Bereich der Assistenzberufe. Das funktioniert nur mit einer überregionalen Ausbildungsplanung. Gravierende Fehlentwicklungen bestehen im Bereich des ärztlichen Nachwuchses, die dringend abzustellen sind.
- Ersatz der klassischen Krankenhausplanung durch eine sektorübergreifende Planung medizinischer Leistungen
Die strikte Sektorentrennung ist unter den Bedingungen fehlenden Fachpersonals und zunehmender Ambulantisierung ein Hindernis für den Aufbau medizinisch sinnvoller und wirtschaftlicher Strukturen. Wir benötigen Instrumente für eine regionale abgestimmte stationär-ambulante Versorgungsplanung, neue Finanzierungs-instrumente zur sektorübergreifenden Versorgung sowie eine stringente Öffnung der Krankenhäuser für die ambulante fachärztliche Versorgung. Eine aufeinander aufbauende Krankenhauslandschaft mit klaren Aufgaben in der Krankenversorgung mit regionalem, auch Landesgrenzen überschreitendem Bezug, muss das Ergebnis der Krankenhausplanung bestimmen.
- Volle Refinanzierung von Tariflöhnen für die Beschäftigen von Kliniken
Aufgrund verschiedener gesetzlicher Mechanismen sind Kliniken, welche ihren Mitarbeitern vollen Tariflohn zahlen im Nachteil, da nicht alle Personalkosten gegenfinanziert werden. Gute Gesundheitsversorgung steht aber auch mit der gerechten Bezahlung und Motivation des Klinikpersonals im Zusammenhang. Aus diesem Grund müssen alle Kosten gegenfinanziert werden. Eine Verpflichtung zur Anwendung der Tarifverträge des öffentlichen Dienstes in den kommunalen und landeseigenen Krankenhäusern muss mit der Verpflichtung zur Finanzierung des erforderlichen Personals einhergehen.
- Abbau von übermäßigen Dokumentationen und Nachweispflichten
Durch die gesetzlichen Änderungen in den letzten Jahren hat der Dokumentationsaufwand für Kliniken in Deutschland kontinuierlich zugenommen (z.B. durch die Einführung der Pflegepersonaluntergrenzen und der PPP-RL). Für die Patientenversorgung entfällt aus diesem Grund immer mehr Zeit, da das Personal mehr und mehr Zeit zu Dokumentationszwecken aufbringen muss.
Gesetzlich vorgeschriebene, elektronische Dokumentationsverfahren haben den Aufwand der Krankenhäuser erhöht, anstatt ihn zu verringern. Die sogenannte Telematikinfrastruktur ist dysfunktional. Die Digitalisierung bietet erhebliches Potential, erfordert aber geordnete Rahmenbedingungen, einheitliche Standards und funktionsfähige Lösungen.
Durch die aktuell in der Umsetzung befindliche Strukturprüfung drohen den Kliniken erhebliche wirtschaftliche Unsicherheiten, da die Anforderungen unter den derzeitigen Bedingungen der COVID-19 Pandemie nur eingeschränkt umsetzbar sind.
Die kommunalen und landeseigenen Krankenhäuser bieten eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Fraktionen an und stehen für einen konstruktiven Austausch jeder Zeit gern zur Verfügung.